Angehörige psychisch erkrankter Menschen fühlen sich oft ohnmächtig und hilflos, wenn jemand aus der Familie in eine seelische Krise gerät. In dieser Situation kann die Teilnahme an Angehörigen-Gruppen wichtig sein für die eigene Besinnung und Orientierung und präventive Wirkung haben.
Die Angehörigen erleben dort Solidarität und können neue Perspektiven in aussichtslosen Situationen finden.
Darüber hinaus brauchen Angehörige aber auch oft ein Gegenüber und den schützenden Rahmen eines Einzelgesprächs. Hier ist die Aufmerksamkeit auf den Einzelnen gerichtet. Themen wie Schuld, Scham, Ratlosigkeit und Angst bekommen mehr Raum. Das kann auch in Einzel- und Familiengesprächen im klinischen Kontext geschehen, ist aber bei weitem nicht die Regel. Darüber hinaus können Angehörige in unserem Versorgungssystem aber nur dann mit einer Einzelhilfe rechnen, wenn ihnen selber eine medizinische Diagnose gestellt wird.
Prävention ist nicht vorgesehen.
Diese Lücke zu schließen und in dieser schwierigen Lebenssituation ein niedrigschwelliges Angebot zu bieten ist das Anliegen der EX-In Angehörigenbegleitung.
Ausgangspunkt hierfür war die Überzeugung, dass Angehörige grundsätzlich Experten des Miterlebens von psychischen Krisen sind und über einen reichen Schatz an Erfahrungen verfügen.
Erfahrung alleine ist aber noch keine Qualifikation.
Die EX-IN Qualifikation zur Angehörigenbegleitung soll dazu beitragen, dass aus den persönlichen Erfahrungen Erfahrungswissen und Kompetenz entstehen, die in der Krisenbegleitung für andere Angehörige helfen können.
Die langjährige Vorerfahrung mit der Qualifikation zur Genesungsbegleitung und die Arbeit mit den Angehörigen in verschiedenen Kontexten war die Grundlage, auf der das Curriculum in Hamburg für „EX-IN für Angehörige“ entstand. Die Qualifikation ist EX-IN zertifiziert.
Die Qualifikation steht allen Menschen offen, die Angehörige von Menschen mit schweren psychischen Krisen sind. Sie sollten vor Kurssbeginn möglichst Erfahrungen in der Selbsthilfe und mit der Kultur des Trialogs gesammelt haben. Die EX-IN Ausbildung für Angehörige ist von einem trialogischen Selbstverständnis geprägt
Seit einigen Jahren erproben EX-IN Angehörigenbegleiter:innen in der ambulanten und stationären psychiatrischen Landschaft von Hamburg die Idee, dass es ein großer Gewinn für Angehörige sein kann von geschulten Angehörigen bei ihren Lebensprozessen begleitet zu werden.
Die Angehörigenbegleitung vervollständigt die Hilfen für Familien mit seelischen Erkrankungen und stellt die persönliche und individuelle Lebenssituation der Angehörigen in den Mittelpunkt.
Inhalte der Qualifikation für Angehörigenbegleitung – EX-IN für Angehörige:
Entwickelt und erprobt in Hamburg – EX-IN zertifiziert. Dieses Fortbildungsangebot steht allen Menschen offen, die Angehörige von Menschen mit schweren psychischen Krisen sind und anderen Angehörigen unterstützend und begleitend zur Seite stehen wollen.
Die Qualifikation setzt sich aus einem Basis- und einem Aufbausemester zusammen.
Das Basissemester umfasst die folgenden Module:
- Förderung von Gesundheit – Salutogenese
- Trialog – drei Experten im Gespräch und Perspektivwechsel
- Empowerment in Theorie und Praxis
- Recovery – Genesung, Perspektiven und Erfahrungen aus Angehörigensicht
- Erfahrung und Teilhabe – die Rolle der Angehörigen im Gesundheitssystem
Das Aufbausemester umfasst folgende Module:
- Selbsterforschung – System: Familie
- Kommunikation und Gesprächsführung
- Beraten, begleiten und unterstützen von Angehörigen
- Assessment – ganzheitliche Betrachtungen
- Zusammenarbeit in Teams – Moderation von Gruppen
- Umgang mit Krisen und Suizidalität in der Begleitung von Angehörigen
- „die subjektive Seite …“ der einzelnen psychischen Erkrankungen aus Angehörigensicht
- Abschluss mit Präsentation
Zu beiden Semestern gehört jeweils ein Praktikum von mind. 25/40 Stunden (z.b. bei Angehörigenverbänden/ Angehörigenbegleitung in der Psychiatrie).
Die grundlegenden Ziele der Fortbildung sind:
- Der Verrückung einen individuellen und kollektiven Sinn aus der Angehörigenperspektive geben.
- Die Entwicklung von Erfahrungswissenschaft der Angehörigen.
- Aus Erfahrung Wissen und Kompetenzen entwickeln, um Angehörige in Krisen begleiten zu können.
- Die trialogische Kultur in der psychosozialen Versorgung zu verankern.
Voraussetzung
Vor Kursbeginn Erfahrung in der Selbsthilfe und mit der Kultur des Trialogs (mind. 20-stündige Teilnahme an einem Trialog)
Dauer
ein Jahr